Ungebautes Salzburg - Nicht Verwirklichtes, aber trotzdem Teil der Stadt
Architekturführer haben es an sich, dass sie Hinweise zur konkreten Lage von beachtenswerten Gebäuden geben. Freilich kann es vorkommen, dass man dann vor Ort anstelle des angepeilten Projekts ein anderes Objekt antrifft oder gar vor einer unbebauten Fläche steht. Auf dieser Route passiert ihnen sicherlich eins von beiden und das hat eine Ursache: Der jeweilige Entwurf wurde nie realisiert.
Nicht alles, was für eine Stadt erdacht, entworfen und geplant wird, wird auch gebaut. Vieles scheitert an der technischen Machbarkeit, an den finanziellen Möglichkeiten des Bauherren oder am politischen Widerstand. Das kann bedeuten, dass erhebliche Summen in aufwändigen Wettbewerbsverfahren versenkt wurden, unhonorierte Architekten, die mit ihrem Schicksal hadern und an den politischen Verhältnissen verzweifeln, aber auch dass Bürger sich am Diskurs über die Stadt beteiligen und nicht alles, was projektiert wird, auch goutieren. Unabhängig von den Beweggründen, den Ursachen und den Werthaltungen, die an diese gescheiterten Projekte geknüpft sind, gehören sie auf jeden Fall zur Geschichte der Stadt. Auch wenn oder eben weil sie nie gebaut wurden, kristallisiert sich in ihnen oft wie unter dem Brennglas die Befindlichkeit einer ganzen Epoche.
Die in dieser Route versammelten Projekte entstanden im Zeitraum seit der so genannten Architekturreform. Sie wurden 2015 im Rahmen der Ausstellung „Ungebautes Salzburg“ im Museum der Moderne Salzburg neben weiteren Entwürfen aus früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten präsentiert.
Ein Spaziergang durch dieses virtuelle Salzburg sollte auch ein Impuls für die Reflektion der Stadt in ihrer realen Verfasstheit sein.
1989 gewann Hans Hollein den vielleicht spektakulärsten jemals in Salzburg durchgeführten Wettbewerb. Herzstück des beeindruckenden Entwurfs ist ein aus dem Fels geschürfter, zum Plateau des Mönchsbergs sich trichterförmig weitender Raum, der von einer flachen, gläsernen Kuppel überwölbt wird. Auf der Ebene des Mönchsberg-Plateaus sollte zudem in einer natürlichen Senke eine lanzettförmige Ausstellungshalle entstehen. Die Idee scheiterte nicht zuletzt an der Uneinigkeit der Salzburger Politik und gilt heute noch vielen als die verspielte Chance schlechthin. Die Debatte in Salzburg bereitete schließlich den Boden für das Frank O. Gehry-Projekt in Bilbao, dessen Erfolg seitdem als „Bilbao-Effekt“ in unseren Wortschatz Eingang gefunden hat. (IAS)
Im Jahr 1992 erklärte die Jury (Vorsitz: Hans Hollein) den „Stern mit glänzender Haut aus Metall“ von Juan Navarro Baldeweg zum unangefochtenen Sieger des Kongresshaus-Wettbewerbes. In der Folge kam es zu einer undurchsichtigen Diskussion um Kosten und Interessen, bei der das angeblich günstigere und funktionalere Projekt von Friedrich Brandstätter aus der Schublade gezogen wurde. Nach einer Kampfabstimmung im Gemeinderat kam es zur Umsetzung dieses Projekts, das im Jahr 2001 mit knapp 600 Mio. ÖS (€ 43,6 Mio.), andere Quellen sprechen sogar von 700 Mio. ÖS (€ 50,9 Mio.), abgerechnet wurde. Der große Wurf, darin ist sich die Architekturkritik einig, ist es nicht geworden und um dieses Geld hätte man wohl auch das Baldeweg-Projekt bauen können. (IAS)
Mitte der 1980er-Jahre sollte in der Altstadt von Salzburg erstmals ein „moderner“ Neubau entstehen, der sich nicht historisierend der Umgebung anpasst. Anfangs in den Medien hoch gelobt, wendete sich das Blatt rasch. Planungsstadtrat Johannes Voggenhuber sprach sogar „von der besten bisher in der Salzburger Altstadt vorgelegten Planung“, während Gemeinderat Herbert Fux eine Grundsatzdebatte entfachte und erklärte, dass „Neubauten im Altstadtbereich – ungeachtet ihrer architektonischen Qualität – unpassend seien und damit per se dem Fremdenverkehr schaden“. Das Bauvorhaben mit zwölf Wohnungen brachte der politische Widerstand schlussendlich zu Fall. Schließlich kaufte die Stadt das Areal und widmete es in Grünland. Die Vereitelung des Projekts war ein Signal gegen die Altstadt als Wohnraum und bestärkte den Tourismus als beherrschenden Wirtschaftsfaktor. (IAS)
Beim Wettbewerb zur Erweiterung des Casinos Winkler tagte das Preisgericht öffentlich. Jeder Bürger, so die Maxime, sollte erleben können, wie die geladenen Architekten argumentierten und die Juroren urteilten. Sizas Siegerprojekt wurde jedoch rasch zum Spielball politischer Interessen. Für die einen war sein Entwurf mit der Inszenierung eines Wegs – ausgehend von der Gstättengasse über einen Panoramalift, der auf eine Aussichtsplattform auf dem Mönchsberg führt – an Poesie nicht zu überbieten. Die konservativen Kräfte sahen das grundsätzlich anders, und zwar als inakzeptablen Anschlag auf das Stadtbild. In dieser Auseinandersetzung zog Siza den Kürzeren. Das Projekt für die Erweiterung des Casinos am Mönchsberg war damit Geschichte, das Spielcasino befindet sich heute im Schloss Kleßheim und anstelle des Cafés steht das Museum der Moderne Salzburg. (IAS)
Beim geladenen Architektenwettbewerb konnten sich Elke Delugan-Meissl und Roman Delugan gegen namhafte Konkurrenz wie Zaha Hadid durchsetzen. Das Wiener Architektenduo heftete an nur zwei Stellen der monumentalen Mönchsbergwand ein dynamisches, skulptural geknicktes Designobjekt. Die Benutzer der gläsernen Liftkabine sollten in der modulierten Trasse einem inszenierten Altstadt-Schwenk, ähnlich einer Kamerafahrt, folgen.
Die Salzburg AG hatte erklärt, dass das Land finanzielle Abgänge durch einen Panoramalift tragen müsse. 2006 begrub sie ihn „endgültig.“ Stadtbild-Polemiken ließen den historistischen Aufzug (1890) und das Außenliftprojekt von Álvaro Siza (1986) abstürzen, der Panoramalift von Delugan_Meissl fiel dem Rechenstift zum Opfer.
(Norbert Mayr)
06Ungebautes Salzburg: Fußgängerturm und Lift, Kapuzinerberg
Glockengasse 4 5020 Salzburg
Architektur: Peter Ebner
Erreichbarkeit: Haltestelle "Hofwirt", Buslinie 4
Schon im 19. Jahrhundert gab es Überlegungen, den Berg mit einer Seilbahn zu erschließen. Ende der 1990er-Jahre versuchte Peter Ebner hartnäckig, letztlich aber vergeblich, Investoren für einen Fußgängerturm an der Westflanke des Kapuzinerbergs zu finden. Er entwickelte gemeinsam mit einer schwedischen Spezialfirma auch einen einzigartigen, sich um die Achse des Turms drehenden Lift. Der Turm selbst sollte aus gleichartigen, übereinander gestapelten Betonfertigteilen errichtet werden, die, an der Mittelachse verbunden, um jeweils zehn Grad versetzt werden. Diese Konstruktion besitzt dieselbe statische Wirkung wie ein geschlossenes Rohr, nur eben als allseitig offene Form. Die in sich verschraubte Gestalt hat den nur wenige Jahre später vom Büro Delugan_Meissl geplanten und ebenfalls nicht realisierten Lift auf den Mönchsberg zur Erschließung des Museums der Moderne vorweggenommen. (IAS)
Nachdem der Plan, eine Zentralgarage auf dem Ford-Schmidt-Gelände zu errichten, von einer Bürgerinitiative verhindert wurde, wollte man das Areal an einen Hotelbetreiber veräußern. Das Siegerprojekt des Wettbewerbs blieb – wie so oft – auf der Strecke. Jahre später schildert der portugiesische Architekt Eduardo Souto de Moura seine Erfahrungen: „ [...] Dann wurde dieses Projekt geändert, ohne mein Wissen, und nachdem ich davon erfahren hatte, führte ich einen Prozeß vor Gericht. [...] Ich fand dieses Verfahren sehr seltsam in einem zivilisierten Land wie Österreich, und es befremdete mich, wie man mich behandelte.“
Die Kränkung, die aus diesem Text spricht, zeigt auch, wie Salzburg seinen Ruf beschädigt. (IAS)
Der französische Architekt Dominique Perrault überzeugte 1994 die Wettbewerbsjury mit seinem Vorschlag eines niedrigen, begehbaren „Decks“, das mit seiner Oberkante auf die Höhe der Arenbergstraße ansetzt. Der Auslober - die Salzburger Sparkasse –verlangte in einer zweiten Wettbewerbsstufe plötzlich eine deutliche Anhebung der Kubatur, worauf Perrault auf das bereits geplante Volumen, getrennt durch ein Leergeschoß, zusätzlich einen zweigeschoßigen Baukörper setzte, der über den unteren Baukörper auskragte. Die Eleganz des Projekts war damit verflogen, und Perrault selbst äußerte sich in einem späteren Interview dazu kritisch. Die Gegner sprachen von „städtebaulichem Wahnsinn“, vom „Betonmonster“ und trugen in einer von den Boulevardmedien befeuerten Diskussion das Projekt zu Grabe. (IAS)
Den 2003 ausgelobten internationalen Architektenwettbewerb zur Neugestaltung des „Schönsten Foyers der Welt“ (Eigendefinition der Salzburger Festspiele) gewann keiner der eingeladenen Star-Architekten, sondern das junge Salzburger Architekturbüro one room (Georg Huber / Karl Meinhart).
Schon einen Monat nach der Wettbewerbsentscheidung warnten Vertreter der Festspiele vor einem „Rummelplatz“, der hier vielleicht entstünde. Stein des Anstoßes war ein mit einer Sitztribüne versehener, eingeschossiger Baukörper, der das Areal gliedert, indem er eine Zäsur zwischen Furtwängler-Garten und Max-Reinhardt-Platz definiert. Verwirklicht wurden nach langer Debatte lediglich Teilbereiche wie das Treppenhaus zur Aula, während der in unzähligen Varianten überarbeitete kleine Pavillon den stürmischen Protesten zum Opfer fiel. (IAS)
10Ungebautes Salzburg: Neugestaltung des Residenzplatzes
Residenzplatz 1 5020 Salzburg
Architektur: knittels BÜRO, Max Rieder
Erreichbarkeit: Fußgängerzone Altstadt Salzburg
Der 2007 durchgeführte Wettbewerb war nicht der erste Vorstoß, dem Residenzplatz eine neue Oberfläche zu verleihen. Wie schon die Anläufe zuvor scheiterte auch dieses Unterfangen. Der Platz, auf dem sich einst der Friedhof der Stadt befand, der die triumphalen Einzüge der Erzbischöfe sah, aber auch die einzige Bücherverbrennung Österreichs im Nationalsozialismus, braucht vor dem nächsten Gestaltungsversuch eine Klärung, welche Rolle er in der Stadt spielen soll. Rieders Entwurf sah unter anderem eine bewegliche Skulptur vor, die unauffällig im Platzniveau versenkt ist und nur bei Gedenkveranstaltungen hochgefahren wird. Ihr von Scheinwerfern ausgehendes Licht steht in luzidem Kontrast zum volksverhetzenden Feuer der Bücherverbrennung des Jahres 1938 und ist ein eindringliches Bild für die Ohnmacht des Intellekts gegenüber der Brutalität der Macht. (IAS)
Der Bildhauer Walter Pichler schlug in den 1970er-Jahren vor, die Brunnen der Altstadt im Winter mit transparenten Konstruktionen aus Plexiglas zu schützen. Umgesetzt wurde Pichlers Ansatz z. B. bei der Pferdeschwemme. Dietmar Feichtingers Wettbewerbsentwurf für den Residenzbrunnen transformiert die Form des zwölfeckigen Brunnenbeckens und die Dynamik der figura serpentinata der Brunnenskulptur in eine parabolisch geformte konkave Hüllfläche aus Acrylglas. Die Burghauptmannschaft als Bauherr machte technische Probleme bei der Umsetzung geltend und verabschiedete sich vom Projekt. Mittlerweile hat man den alten Holzverschlag erneuert. Der fortschrittliche Gedanke, historisches Objekt und moderne Technik zu einer neuen künstlerischen Einheit zu vereinen bleibt damit, was es ist: ein schönes Bild. (IAS)
12Ungebautes Salzburg: Mobile Überdachung Domplatz
Domplatz 5020 Salzburg
Architektur: Jabornegg & Pálffy
Erreichbarkeit: Fußgängerzone Altstadt Salzburg
Der „Jedermann“, der seit 1920 auf dem Domplatz aufgeführt wird, zählt zu den erfolgreichsten Produktionen der Theatergeschichte. Bei Schlechtwetter muss stets das Große Festspielhaus als Ersatzspielort freigehalten werden. Die Wiener Architekten Jabornegg & Pálffy entwickelten daher ein Konzept für eine mobile Überdachung des Domplatzes. Das Dachfaltwerk sollte die angrenzenden Gebäude des Platzensembles überragen und auf Schienen in die Parkposition an der Wand des Hofbogengebäudes geführt werden können. Bei Schlechtwetter, aber auch zur Beschattung kann die Konstruktion ausgefahren werden. Doch der „Jedermann“ am Domplatz lebt vom Spiel unter freiem Himmel, und wie das Festspielhaus kein adäquater Ersatz dafür ist, so ist es auch der überdachte Domplatz nicht. Die Verantwortlichen haben das rechtzeitig erkannt und das Projekt ad acta gelegt. (IAS)
13Ungebautes Salzburg: Adaptierung des Kapitelsaals / Besucherzentrum für die Festung Hohensalzburg
Kapitelplatz 6 5020 Salzburg
Architektur: maria flöckner und hermann schnöll
Erreichbarkeit: Fußgängerzone Altstadt Salzburg
Der Kapitelsaal ist ein Veranstaltungsraum der Erzdiözese, der bauhistorisch gesehen keine besondere Bedeutung hat. Entstanden ist er Anfang der 1970er-Jahre, übrigens unter massivem Abbruch damals noch vorhandener Bausubstanz, nach Plänen des Salzburger Architekten Otto Prossinger. Das Bauamt der Erzdiözese lud 2009 mehrere Architekten zu einem Wettbewerb, um Ideen für die Neugestaltung des Saals zu erhalten. Flöckner/Schnöll setzten sich dabei mit einem Konzept durch, das eine Öffnung der Saalwand an der Bierjodlgasse vorsah. Die Altstadterhaltungskommission teilte diesen Ansatz nicht und verlangte eine Reduktion des Glasanteils. Die Architekten legten schließlich einen neuen Entwurf vor, der die Kommission überzeugte. Allerdings zog die Erzdiözese, wohl zermürbt von diesem jahrelangen Prozess, das Projekt zurück. (IAS)
Mit dem grandiosen Wettbewerbsprojekt zeigten Heike Matcha und Günter Barczik wie ein urbanes Erlebnisbad aussehen könnte: Bäderlandschaften als gestaffelte Ebenen in einen kristallinen, gläsernen Baukörper gepackt mit phantastischem Blick in die Baumkronen des Kurparks. Die Jury, die sich der Herausforderung des Projekts bewusst war, sicherte sich noch beim Bürgermeister ab, der sich positiv äußerte. Zwei Jahre und diverse gemeinderätliche Auseinandersetzungen später verabschiedet man sich vom hochgelobten Projekt. Trotz einer profunden Machbarkeitsstudie, welche die Architekten vorlegen steigt die Stadt aus, und wieder einmal soll ein anderes Wettbewerbsprojekt aufs Schild gehoben werden. (IAS)